Nach Hanoi war eine Bootstour in der berühmten Ha Long Bucht geplant. Berühmt wie berüchtigt für Massentourismus der üblen Sorte. Zum Glück gibt's weniger touristische Alternativen, das heißt welche, die noch nicht so weit sind: Wir wählen die vorgelagerte Insel Cat Ba mit der Lan Ha Bucht.
Weg dahin klingt easy: 3,5 Stunden mit dem Express Bus, zwischendurch Übersetzen mit Schnellboot, für 10 EUR/Person - von Hotel zu Hotel (ja zehn Euro).
Hmm, laut Website ist das ein Standard-Reisebus, der klappert sicher nicht im engen Old Quarter diverse Hotels ab. Habe einen Einsammel-Kleinbus als Zubringer vor Augen. Was kommt ist ein Motorroller...?!? Wir mögen bis zur nächsten Straßenecke laufen, dann noch zwei. Das Ganze mit Rollkoffern im Straßenverkehr; Gehwege nicht nutzbar - nach drei Tagen Hanoi eine leichte Übung. Die Rollkoffer mit 2 Rollen sind jedenfalls die richtige Ausrüstung. Und tatsächlich schiebt sich auf einer der weniger engen Straßen der große Reisebus durch's Gewühl, während zwei rollerfahrende Hirten die Touristenschafe von ihren Hotels an die Strecke komplimentieren. Nach einer Handvoll weiterer entsprechender Stopps geht's raus aus Hanoi. Geile logistische Leistung.
Die Fahrt Richtung Haiphong ist entspannt. Flaches Land, klare Sicht soweit das Auge reicht. Immer wieder mal ragt aus Häuseransammlungen ein klassisch französisch anmutender Kirchturm heraus. Zumindest offiziell haben die glaub ich gar nicht soviele Christen. Zunehmend fallen niegelnagelneue Fabrikhallen auf. Kulminationspunkt ist kurz vor dem Fährterminal das Werksgelände des einzigen vietnamesischen Automobilherstellers VinFast. 2017 gegründet, und 2025 sieht man wirklich überall diverse Modelle herumflitzen.
Voraus ist bereits das Fährterminal sichtbar, aber wir biegen von der breiten, schnurgeraden Piste ab auf einen Schotterweg. Eine Ansammlung von Verkaufsständen unter großen Blechdächern, ein paar weitere Reisebusse und ein kleiner, uralter Pier tauchen auf. Vermutlich 'ne ehemalige(?) kleine Anlegestelle lokaler Fischer. Alles greift sein Gepäck und wartet aufs Signal. 'Schnellboot' hört sich modern oder Miami-Vice-mäßig flashy an; in was wir die Mördermoderstufen mit Gepäck hinab hineinklettern assoziiert man eher mit 'verrostete russische Diesellok aka Taiga-Trommel'. Die Busladung passt grad so halb rein, halb rauf. Die dröhnende Überfahrt dauert keine 10 Minuten, es ist ja auch nicht weit. Weiter hinten sehen wir die Autofähren und die, natürlich niegelnagelneue, Seilbahn auf schlanken, stylischen Pylonen.
Am anderen Ufer tuckern wir schließlich im Nirgendwo den Schilfgürtel entlang bis zu einem kleinen Betonkai, an dem längs zum Ufer ein Boot ähnlich unserem seinen Frieden gefunden zu haben scheint. Mehr Platz ist nicht, wir werden aber langsamer. Am Ufer ist alles zugewachsen, nichts zu sehen, mal will weiter gehen. Angelegt wird tatsächlich an der Bootsleiche. Über die klettern wir jetzt mit unserem Gepäck und dann ein paar Kaimauerstufen hoch, die deutlich bessere Jahrhunderte gesehen haben. Für die nachfolgende Nierenentnahme wollen die wohl nur die Fitten. Beruhigenderweise steht da plötzlich ein Reisebus, der uns wahrhaftig ans Ziel bringt.
Das Umgehen der offiziellen Fähre wird wohl finanzielle und/oder zeitliche Vorteile bringen. Scheint eine Frage der Zeit, bis ein Tourist zum Notfall wird und die Behörden die Sache unterbinden. Ich hab's genossen.