Nach drei Tagen haben wir noch immer keinen Sonnenstrahl in Hanoi gesehen.
Old Quarter
Am ersten Tag sind wir bei Nieselregen und 24°C kreuz und quer durch's Old Quarter (Altes Viertel) gelatscht und es war herrlich. Das hätte so weiter gehen können... Nun, am nächsten trockenen Tag verwandelten die Einheimischen zentrale Straßenzüge in eine lärmende Touri-Kneipenmeile, und schon ist uns Ausweichen ein Grundbedürfnis. Laut Reiseführer ist dieser Rummel in der Train Street (großer Zug schleicht durch enge Gasse voller Touristen in Cafés und Bars) zu finden, doch selbst die ist jetzt kein Unikat mehr, ähnliche Szenerie gibt's an mindestens zwei weiteren engen Stellen.
Angesichts dessen, womit und wie sonst im Old Quarter am Lebensunterhalt gepfriemelt wird, ist der Tourismus sinvollerweise eine leuchtende Melkkuh. Noch ist viel Altes da neben Hotels, Fußmassagen, Tourvermittlung, Outdoorzeug und Souvenir-Tee. Welcher Tourist braucht 'n paar 6m Bambusleitern, einen aufgearbeiteten Kompressor, ein Dutzend Schaufensterpuppen, frischgedengelte Abzugskamine, was weiß ich? Jeweils aus einer Reihe von Läden/Werkstätten, konzentriert in einer Straße, Gasse, Ecke. Wenn etwas davon hergestellt oder umgearbeitet wird, geschieht's häufig hockend auf dem Gehweg. Dort werden auch mal bergeweise Essstäbchen gewaschen, Fleisch gehackt, Gemüse geschnippelt.
Womit wir beim Street Food (Straßen-Essen) wären. Verblüffend, wie viele Stufen es unterhalb eines Imbissstandes gibt, Essen zuzubereiten/zu verkaufen. So ein Karren wie für Zuckerwatte ist da noch High-end. Gesessen wird auf Mini-Plastikhöckerchen, meist gedrängt auf dem Gehweg. Mittags ist kurz mal alles voll mit Einheimischen aus umliegenden Baustellen, Werkstätten und Büros. Ist man als Tourist nur im Weg.
Jana wollte unbedingt eine Street Food Tour (deutschsprachig) buchen und fand im Internet 'Hans'. Toll dachte ich, 'Womöglich so'n vor 30 Jahren ausgewanderter, zotteliger Kleinstadt-Hippie'. War dann erfreut über den jugendlich dreißigjährigen Vietnamesen, der gut und gern Deutsch sprach. Redete auch über Dinge abseits des Essens. Na, wofür stehen die fünf Zacken des gelben Sterns der Flagge? Weiß jeder Vietnamese: Einheit der Arbeiter, Bauern, Soldaten, Kopfarbeiter, Händler. Das Old Quarter geht dann wohl auf den Zacken der Händler.
Vor dem Street Food und kommunistischer Einheitspropaganda hätte ich das einem sofort mitten ins Fußgängergesicht springende Gehweg-Problem im Old Quarter erwähnen sollen. Überall gibt's Gehwege. Allerdings zu 75% in gesamter Breite belegt von quer aufgereihten Motorrollern, von denen es ganz sicher mehr als Einwohner gibt. Dazu die Street Food Stände und eine Handvoll weitere Zweckentfremdungen. Fußgang also hauptsächlich auf der Straße im systematisch hupenden Auto- und Rollerverkehr. Ab dem zweiten Tag setzte auch bei uns Gewöhnung ein.
Grundlegend wichtig im Verkehr scheint das Fließen zu sein. Möglichst nicht anhalten, alles fädelt sich in- und durcheinander. Auf diese Weise überquert man auch die Straße durch den laufenden Verkehr. Auf größeren Straßen gibt's oft Ampeln, an die sich im Gegensatz zu Süditalien gehalten wird. Gern mit Sekundenanzeige bis zum Umschalten, wahrscheinlich um wenigstens mental den Flow nicht abreißen zu lassen.
Das Ganze schiebt sich, hupend und knatternd, fließend durch ein Stadtviertel von uns bisher unbekannter Hausbauart. Standardbreite entspricht einem nicht zu kleinen Garagentor, Höhe 2 bis 12 Etagen, Tiefe wer-weiß. Gern noch provisorische Dachaufbauten. Haben wir später auch auf dem Land gesehen, wo Platz eigentlich kein Problem zu sein schien...
Und sonst so?
Angrenzende Stadtviertel sehen anders aus oder auch nicht. Breitere Straßen als das Old Quarter haben sie jedenfalls..
Das Ethnologische Museum am Morgen im noch ziemlich leeren Außenbereich war es wert:
Das Wasserpuppentheater, eine vietnamesische Puppenspieltradition, war nett und führte zu Sekundenschlaf.
Die sogenannte Literaturtempel-Anlage kann man mal gesehen haben, muss man nicht. Hat mit ganz wichtiger Tradition zu tun. Wichtig für die Tourismus-Förderung will mir scheinen. Aber jetzt wissen wir Bescheid, dass man, um hoher königlicher Beamter zu werden, viele Prüfungen durchstehen musste und seinen Name auf eine von 'ner Schildkröte getragene Tafel gemeißelt bekam. Eigentlich steht in vielerlei Schreinen sonst gern 'n Phönix auf denen herum, während oben Drachen raufen. Alles sehr blumig und angekitscht, mit Opfergaben aus'm Supermarkt.